Heimatdienst-Info

Das Eggaspiel in Sonthofen

1958     2009     2013     2016

 

Das Eggaspiel wird alle drei Jahre vom Heimatdienst Sonthofen veranstaltet. Es ist ein pantomimisch dargestelltes Maskenspiel und wird zur besseren Verständlichkeit von einem Herold erklärt. 16 junge Burschen und Männer -und erst seit 1993 auch Mädchen und Frauen- ziehen sich geschnitzte Holzmasken auf und kleiden sich in bäuerliches „Alltagshäs“ (Werktagsgewand) bzw. in Tierkostüme. Die Vorführung beginnt mit einem kleinen Umzug: voran die Musikkapelle, dann der Herold, ein zweispänniges Fuhrwerk, auf dem die Gerätschaften zur Feldarbeit aufgeladen sind, das Kleinvieh, Rösser, Kuh und Molle (Ochse), Gesinde, Bauer und Bäuerin, alle natürlich mit aufgesetzten Masken. Der Herold eröffnet das Eggaspiel mit einem Prolog. Es beginnt die Feldarbeit und schon treibt die Hexe, der ja die Hauptrolle dieses Spieles zukommt, ihr Unwesen zur Belustigung der Zuschauer, aber zur Verzweiflung der Darsteller. Die Feldmarken sind verstellt und müssen erst wieder korrigiert werden, die Unholdin treibt die Pferde beim Pflügen auseinander, wirft den Pflug um, bei Eggen schikaniert sie den Knecht, setzt sich auf die Egge, so dass Kuh und Molle diese nicht mehr ziehen können und versucht gar, den Mollen zu melken. Auch beim Säen hat der Bauer seine Müh und Plag, die Hexe bohrt ein Loch in sein Sätuch und er kann es gar nicht schnell genug wieder mit Roggensaatgut füllen.

Egga-Hexe-jagtDie Eggahexe jagt (1958)

Beim Kleinvieh geht es auch zur Sache. Der Gockeler wird vom Misthaufen herunter gefegt, die Katze und der Hund landen auf diesem, die Sau wird über den ganzen Acker getrieben, zum Leidwesen des Knechtes wegen des gerade geeggten Ackers und der Geißbock findet sich in der Küche des Bauernhofes wieder.

Auch in der Küche treibt die Hexe ihr Unwesen. Das Herdfeuer lässt sich nicht anzünden, der Rahm im Butterfaß lässt sich nicht buttern, wird sauer, der Flachs auf der Flachsbreche ist mit Reisig gemischt, das Spinnrad fällt auseinander. Und in der Zeit, in der Bäuerin und Magd dem Bauern und Knecht die Brotzeit aufs Feld bringen, zerdeppert die Hexe in der Küche Teller, Tassen und alles was sonst noch zerbrechlich ist. Ein heilloses Durcheinander!

Eggaspiel-Pflug Pflügen (2009)

Bäuerin und Magd werden für die von ihnen auf´s Feld gebrachte Brotzeit nur beschimpft, denn die Milch ist sauer und das Brot verschimmelt. Bauer und Knecht sind „blüetsnarret“ (richtig wütend) darüber, was ihnen nach der strengen Feldarbeit als Brotzeit vorgesetzt wird. Sie schicken die heulende Bäuerin, Magd und Mädle (Mädchen) wieder nach Hause und begeben sich zum Dreschen, zu dem sie notgedrungen auch Bäuerin und Magd brauchen. Der Bauer bestimmt den Vierertakt des Dreschens: Bauer, Knecht, Bäuerin, Magd. Bauer, Knecht, Bäuerin, Magd usw.. Nur kurze Zeit gelingt es störungsfrei und wieder geht die Hexe dazwischen. Einmal hebt sie den Dreschflegel des Knechtes fest, dann wirft sie die Magd zu Boden. Der Bauer schimpft Knecht und Magd über deren Unfähigkeit zum Dreschen, bis ihm selber der Dreschflegel aus der Hand geschlagen wird und er rückwärts fällt. Und zu allem Überdruss zählt der Bauer nicht vier, sondern fünf Dreschflegelschläge. Die Hexe wird immer dreister und lässt sich aus Übermut kurz sehen, was alle beobachten können. Jetzt weiß der Bauer endlich, warum es an allen Ecken „eggt“.

Der Hund nimmt Fährte auf und alles jagt, trotz größter Angst die Hexe, bis sie vom Bauer und dem Knecht gefangen werden können. Und was tun sie mit ihr? Sie stecken sie in eine „Sautrucke“ (Schweinekiste). Die Riesenfreude, nun endlich das Böse besiegt zu haben, tanzen sie zur Musik der bereitstehenden Blaskapelle: Bauer und Bäuerin, Knecht und Magd, Bue (Bub) und Mädle, Hund und Katze, Sau, Gockeler (Hahn) und Geisbock.

Der Herold verkündet das Ende des Spieles mit dem Hinweis, dass das Gute immer das Böse besiegen wird und wünscht den Zuschauer und der Stadt, dass sie von solcher Unholdin, jetzt in zeitgemäßer Gestalt und Formen, verschont bleiben mögen.

Seit 1955 wird das Eggaspiel in dieser Form wieder aufgeführt. Warum gerade in Sonthofen? Hier lassen wir den bekannten Volkskundler Felix Dahn zu Wort kommen. Er schrieb vor rund 150 Jahren, dass das Eggaspiel, ein auf heidnischen Ursprung zurückgehender Fasnachtsbrauch, in Sonthofen und Burgberg aufgeführt wurde. Zu der Darstellung des Spieles fügte Dahn folgende Besprechung an: „Diese Spiel verrät in seinem Inhalt und seinen Formen Züge höchsten Alters. Schon die Gewandung der verkleideten Rosse gleicht vollkommen den in den ältesten Schemenlaufen vorkommenden Trachten: Tierlarven, Schellengürtel und weiße Kleider fanden sich bei allen Schönpartlaufen des deutschen Mittelalters. Die Darstellung der Feldarbeiten gerade in der Zeit, da sie in Wirklichkeit beginnen, mahnt deutlich an die Feste, Umgänge und Gebräuche, mit denen das Wiederaufleben der Natur überall von den germanischen Stämmen begangen wurde. Höchst charakteristisch ist dabei, dass aller Verrichtungen verkehrt, alle Werkzeuge unbrauchbar sind; einmal ist diese Selbstironie des Volkes in seiner Hantierung bei einer ganzen Reihe von nordischen, englischen, flandrischen und mitteldeutschen Festen üblich und überall, wo sie begegnet, ein Zeichen echter Volkswüchsigkeit und hohen Alters. Dann aber hat bei dieser Gelegenheit die Verkehrtheit und „Unnütze“ alles Geräts und aller Arbeit offenbar einigen Zusammenhang mit der Hauptgestalt des ganzen Spieles, mit der Hexe. Diese Unholdin, jetzt zur Hexe herabgesunken, ist ursprünglich nichts anderes als die in der deutschen Mythologie eine bedeutsame Rolle spielende schädliche Göttin, welche als Roggenmuhme, Preienscheuche, Kornwif usw. die Arbeiten der Menschen in der von ihr beschützten, freien, unentheiligten Natur stört und hindert. Ohne Zweifel ist es die Unholdin, welche die Bauersleute traktiert, die Rosse scheu macht, die Krüge leert, die Speisen verdirbt. Und das Spielfest hatte in der heidnischen Zeit wohl die Bedeutung, durch ein Opfer die Gottheit geneigt zu machen; später in der christlichen Zeit wird dann daraus ein Verbrennen oder Ersäufen der Hexe oder Austreiben, Verscheuchen derselben in den Wald, aus der Gemarkung des Dorfes als symbolischen Akt dargestellt und soll das Ende des Bösen und Erwachen des Frühlings bedeuten.“ Einen weitern Deutungsversuch gibt es von Prof. Wirth und Gabriele Wurm (mehr)

Eggaspiel-geschafft Hexe gefangen (2009)

Der Heimatpfleger Dr. Alfred Weitnauer hat sich sehr mit dem Eggaspiel befasst und maßgeblich mit geholfen, das über 100 Jahre nicht mehr aufgeführte Eggaspiel wieder zum Leben zu bringen. Seinen Recherchen nach wurde es wahrscheinlich auch in Hindelang gezeigt, da man dort noch geschnitzte Pferdemasken vorfand und interessanterweise auch im Südtiroler Etschtal bei Tramin und Nals, dort bis 1872 als „Egetmann“ mit der bekannten Handlung gespielt. Der Forscher Staffler schreibt, dass der Brauch bis in vorrömische Zeit zurückgehe. Bei uns im Allgäu saßen damals die Kelten. Weitnauer kommt zum Schluss, dass das Eggaspiel und der Oberstdorfer Wildemändlestanz mit zum ältesten Glaubensgut der Vorzeit, das sich über 2000 Jahre hinweg, wenn auch in veränderten Gestalt, bei uns im Allgäu erhalten hat.

Das war ein weiter Ausflug in die Geschichte des Eggaspieles und es wird Zeit, wieder in die Gegenwart zurückzukehren. Ein paar Informationen zu den Spielen in der Neuzeit: Im Jahre 2009 hatten wir die 20. Aufführung seit 1955. Das Spiel wird in der Regel alle drei Jahre aufgeführt. Es gibt aber immer wieder zeitliche Verschiebungen, wie zum Beispiel die Aufführung im Jahr 2000 zur 1000-Jahr-Wende oder im Jahr 2013 zum 50-igsten Jubiläum der Stadterhebung.

In der Zwischenzeit werden die Masken und eine Darstellung der Feldarbeit im Heimathaus gezeigt und mit Tonschau erklärt. Wenn Sie diese Masken sehen, werden Sie´s kaum glauben, dass sie, wie zum Beispiel Ross oder Kuh, bis zu 6 kg schwer sind und alle Masken nur einen sehr stark eingeschränkten Blickwinkel erlauben. Das ist so gewollt, denn so ergeben sich oft diese linkischen Bewegungen. Geschnitzt wurden sie von Hyronimus Rieger aus Marktoberdorf, entworfen und bemalt wurden sie von unserem heimischen Kunstmaler Robert Schraudolph.

Im Jahre 1987 wurden am neuen Rathaus in Sonthofen lebensgroße Broncefiguren von Bildhauer Joseph Michael Neustifter aus Eggenfelden aufgestellt und stellen einige Spielfiguren aus dem Eggaspiel dar.

Herold-Kracker Herold Hermann Kracker (2009)

Das Eggaspiel hat Geschichte und Tradition. Der Heimatdienst Sonthofen hat sich zur Aufgabe gemacht, diese weiterzuführen. Es soll nach wie vor eine Brauchtums- und keine Schautumsveranstaltung sein und deshalb alle Veränderungen sehr sensibel und behutsam bewerten.

Text: Hermann Kracker