Der Heimatdienst Sonthofen bedankt sich herzlich bei Siegbert Eckel, dass sein Vortrag, gehalten am 8.1.2014 im Heimathaus Sonthofen, hier auf unserer Internetseite erscheinen darf!
Auf gut ausgebauten Straßen- und Schienennetzen versorgen uns heute weltweit agierende Logistikunternehmen mit allem, was der internationale Markt zu bieten hat. Nur Wenige machen sich Gedanken darüber, wie der frühe europäische Warenhandel funktioniert hat und auf welchen Wegen er abgewickelt worden ist. Dass unser Oberallgäu daran einen – wenn auch verschwindend kleinen Anteil hatte – möchte ich Ihnen heute zeigen. Auf den Trassen schon in vorrömischer Zeit begangener Verkehrswege entwickelte sich im Mittelalter der Fernhandel zwischen Italien und den im Norden liegenden Reichs- und Messestädten, wobei die Strecke über den Fernpass, über die Gacht und über den Jochpass im Laufe der Jahrhunderte eine besondere Bedeutung erlangt hat. Soweit die Wege zu damaliger Zeit mit dem Wagen befahrbar waren, wurde der Fernhandel auf der Achse abgewickelt. Schwieriger gestaltete sich der Transport der Güter dann im Bereich des unwegsamen Gebirges. Die Waren wurden auf Mulis oder Saumpferde umgeladen, die dann in Form von Kleinkarawanen von den sogenannten Säumern auf oft schwierigen Routen über die Passwege geführt worden sind. Daraus entwickelte sich ein Frachtsystem, das „Rod“ genannt wurde. Das Wort „Rod“ hat seinen Ursprung im Lateinischen und bedeutet soviel wie Wechsel, Kreislauf, und unter der „Rodsäumerei“ verstand man das abschnittsweise Verfrachten von Waren mit Saumpferden. Diese Transportart entstammt mit Sicherheit dem Alpenraum, wobei den Schweizer Passgemeinden eine zentrale Stellung zugewiesen werden muß. Säumer waren in der Regel in den Bergen beheimatete und mit dem Gelände vertraute Personen, also Einheimische. In den alpinen Gegenden der Passübergänge bildete sich deshalb im Laufe der Zeit ein eigenes Säumergewerbe heraus, das seine Ansprüche gegen die Kaufmannschaft mit sogenannten Säumergenossenschaften durchzusetzen versuchte. Die Last, die ein Saumtier tragen konnte, nannte man einen Sam oder Som, was einem Gewicht von ungefähr 150 Kilogramm entsprach. Der Name „Säumer“ steckt heute noch in mancher Wortschöpfung, wie z.B. „säumig“ oder „Versäumnis“. Und damit sind wir schon bei den Nachteilen, die diese Transportart auszeichnete: Sie war unbeweglich und langsam. Während aber an anderen Orten heute emsig über das frühe Säumerwesen geforscht und publiziert wird, ja ganze Saumfahrten touristisch angeboten und vermarktet werden, hat sich weder der Allgäuer Tourismus noch die Allgäuer Heimatgeschichtsforschung bislang dieses Themas noch angenommen. Dies finde ich sehr bedauerlich. Im 13. und 14. Jahrhundert nahm der Handel über die Alpen einen besonders starken Aufschwung. Städte wie Venedig, Genua, Augsburg und Nürnberg seien dafür beispielhaft genannt. Den daraus sich ergebenden Erwartungen und Anforderungen an das Transportwesen war die Rodsäumerei in keiner Weise mehr gewachsen. Also wurde begonnen die Alpen zu erschließen. Passwege wurden verbessert, neue Passstraßen gebaut, Unterkunftshäuser für Mensch, Tier und Güter errichtet. Mit dem Ausbau des Straßennetzes kamen dann vermehrt Fuhrwerke zum Einsatz, weil damit natürlich ein Mehrfaches an Menge transportiert werden konnte. Dies hat dazu geführt, dass heute im Allgäu der Begriff „Roden“ immer nur mit Fuhrwerken und Schlitten in Verbindung gebracht wird. Alte Zollordnungen zeigen uns hingegen, dass noch bis in die Anfänge des 18. Jahrhunderts hinein Säumer und ihre Tiere mit Abgaben belegt worden sind. In der Folge etablierte sich ein Frachtwesen, das sich durch gute Organisation und hohe Leistungsfähigkeit auszeichnete: Die „Rodfuhr“, wie diese Form der Frächterei im süddeutschen Sprachraum genannt wurde. Dabei wurde einheimischen Zugtierbesitzern das Recht, aber auch die Verpflichtung zur zuverlässigen Abwicklung der Warentransporte auf dem festgelegten Streckenabschnitt übertragen. Dem als Rodfuhrleute eingetragenen Bevölkerungsteil ermöglichte die Frächterei einen – vor allem im Winter – willkommenen Nebenverdienst. Wichtigstes Bestandteil der „Rodfuhr“ aber war die „Rodstatt“ mit dem Niederlagsrecht. Letzteres konnte nur vom Kaiser verliehen werden. Ein Niederlagsrecht verpflichtete den jeweiligen Landesherren zum Bau eines Waren- oder Gredstadels, in dem die Transportgüter sicher und trocken zu lagern waren. Zusätzlich hatte er eine logistische Struktur auf zu bauen, damit die Frachtgüter termingerecht weiter transportiert werden konnten. Ein solches Niederlagsrecht war sehr begehrt, sicherte es der jeweiligen Ortsherrschaft bzw. der betreffenden Gemeinde doch erhebliche Einnahmen aus Zoll, Wegegeld, und ähnlichen Abgaben. Die Anwesenheit von vielen Kaufherren, Händlern, Fuhrknechten und anderen Begleitpersonen bedeutete für den örtlichen Handel, für Handwerk und Gewerbe eine wesentliche Steigerung der Einkünfte. Diese Rodstätten lagen in der Regel ca. 30 Kilometer auseinander, gerade aber so, wie es die Wegeverhältnisse für eine Tagesetappe gestatteten. Auf der Strecke von Reutte in Tirol waren Niederlagen auf die Orte Nesselwängle, Hindelang, Immenstadt, Simmerberg und Lochau (Bäumle) fixiert. So hatte z.B. der Ort Sonthofen zwar einen eigenen Gred- oder Salzstadel, nie aber ein offizielles Niederlagsrecht. „Gerodet“ wurden die vielfältigsten Waren, von orientalischen Luxusartikeln, Stoffen und Gewürzen bis zum Fisch bzw. zur einheimischen Leinwand. Zollordnungen aus Hindelang geben uns einen tiefen Einblick in das Frachtgut der Handelsherren und den Bedarf der damaligen Bevölkerung. Eine besondere Stellung nahm bei der Rodfuhr aber das Salz ein, für dessen Absatz die Herzöge von Tirol schon sehr früh ein ganz besonderes Engagement zeigten. Als sich dann im 16. und 17. Jahrhundert die Handelsachsen zugunsten der Atlantikhäfen verschoben, verlor auch die „Güterrod“ aus Italien an Bedeutung. Ungefähr im gleichen Zeitraum stieg aber die Nachfrage nach dem hall-inntalischen Salz aus Tirol. Schließlich nahm der Salztransport eine derartige Dominanz ein, dass mit der „Rod“ heutzutage fast ausschließlich die Salzfrächterei in Verbindung gebracht wird.Der erste Pfiff einer Lokomotive in Immenstadt war dann gleichermaßen das Abschiedssignal für den Gütertransport durch die Oberallgäuer Rodfuhrwerke. Die Eisenbahn übernahm nun die Frachten und verführte sie schneller und billiger. Die Landstraßen wurden einsam, die Wirtshäuser leer. Wenden wir uns nun aber der Strecke zu, die für unser Gebiet im Laufe der Jahrhunderte von besonderer Bedeutung werden sollte, der „Oberen Rodstrass“. Sie führte von Nassereith kommend über den Fernpass und teilte sich in Reutte in einen „Oberen Weg“ und in einen „Unteren Weg“. Letzterer führte über Oy und Kempten nach Augsburg oder Lindau, ersterer aber über den Gachtpass, das Joch, Immenstadt, Simmerberg an den Bodensee. Diesen will ich heute Abend mit Ihnen begehen.
Wer heute über den Fernpass dem Süden entgegen fährt, dem präsentiert sich unterhalb des Passes das Schloss Fernstein. Heute zum Hotel ausgebaut, war es vor rund 800 Jahren die erste Zollstelle am Fern.
Schlosshotel Fernsteinsee
Unterhalb des heutigen Schlosshotels steht eine Kapelle. Darin befindet sich ein Votivbild, auf dem eine frühe Ansicht der Sperrfeste Fernstein zu sehen ist. Die Burg Fernstein: Um 1280 erbaut auf kühnem Felsvorsprung über dem Klausenbach als Zollstätte und besetzt mit einem Ritter von „Verrenstain“. An der Straße, die damals im Tal trassiert war, stand das Zollhaus mit Sperrmauer.
Votivtafel in Kapelle
14-Nothelfer-Kapelle
Um 1540 wird im Zuge einer Verkehrswegeverbesserung die Rodstraße mit der Zollstelle an den Hang verlegt. Die neue Rodstraße führt nun auf einer mächtigen Steinbrücke über den Klausenbach durch einen versperrbaren Turm, der im heutigen Gebäude noch erhalten ist. Die neue Rodstraße wird 1543 dem Verkehr übergeben.
Zollstelle am Fernsteinsee, rechts Lustschloss Sigismundsruhe
Die Straße zog links vom Fernsteinsee, am „Sameranger“ vorbei zum „Alten Fern“. Die folgenden Bilder zeigen die alte Salzstrasse zum Fernpass.
Eingeschliffene Spuren für das bessere Spurhalten der Fuhrwerke
Stützmauer gegen das Abrutschen der Strasse
Sameranger See
Neurenovierter Teil der alten Salzstrasse
Kurz vor dem Erreichen der Fernpasshöhe steht eine weitere Kapelle, die ebenfalls den „Vierzehn Nothelfern“ geweiht ist. Am ehemaligen Kaplanhaus befand sich einst eine eiserne Erinnerungstafel, auf die wir noch zu sprechen kommen. Dann kommen wir zur Passhöhe. 1780 wurde die Zollstelle von der Burg Fernstein hierher verlegt.
14-Nothelfer-Kapelle
Die Straße führte nun nach Lermoos, wo sich eine offizielle Niederlage mit Gröd- bzw. Salzstadel befand. Dieser Salzstadel befindet sich heute im Ausstellungsbereich der Burgenregion Reutte bei Ehrenberg.
Burg Ehrenberg
Von Lermoos gelangten die Säumer und Fuhrwerke nach Heiterwang, einer weiteren Niederlage. Später wurde diese Niederlage nach Reutte verlegt, weil Reutte wohl eine bessere Ausgangsposition bot. Der Streit zwischen Heiterwang und Reutte währte lange.
Bevor aber Reutte erreicht wurde, führte die Strasse durch die Ehrenberger Klause, die ebenfalls von einer mächtigen Burganlage geschützt wurde. Die gesamte Anlage wurde später großzügig ausgebaut und zur Tirolischen Landesfestung erhoben. Heute ist ein großer Teil der noch vorhandenen Gebäudesubstanz saniert und Ausstellungszentrum der Burgenregion Reutte.
Burg Ehrernberg (links), Zollstation (Mitte), Fort Claudia (rechts)
Auch hier befand sich lange Zeit eine Zollstelle. Das Gebiet zwischen den den befestigten „Toren“ Fernstein und Ehrenberg wird in alten Urkunden „Zwischentoren“ genannt.
Zollstelle der Burg Ehrenberg
Reutte ist seit 1465 der Knotenpunkt für den Güterverkehr vom und im Außerfern. Dort wurden die Güter- und Salztransporte zusammen gestellt, die an den Bodensee, in den Breisgau und in das Elsaß gingen. Hier trennten sich eine weitere „Obere“ und „Untere“ Rodstrasse. 1669 gingen z.B. von 9 600 000 kg Salz, die in Hall produziert wurden, von Reutte aus ca. 2 000 000 kg nach Vorderösterreich.
Der Wohlstand, den Reutte als Transportzentrum erfahren durfte, spiegelt sich noch hie und da in einstmals prächtigen Hausfassaden.
Grünes Haus (Museum) und Gashof Schwarzer Adler
Die Straße führte von Reutte nach dem unter dem Gachtpass gelegenen Weißenbach. Hier stand ein Wetterstadel zur Aufnahme der Güter und des Salzes, wenn die Verhältnisse ein Überschreiten des Gachtpasses unmöglich machten.
Arbeit der Salzarbeiter in Reutte
Ein uralter Saumweg wurde hier von König Ferdinand I. unter dem Pfleger von Ehrenberg, Jakob von Tun, 1537-1540 durch Meister Kaspar Hess kühn ausgebaut. Diese Straße hat 2 000 Gulden gekostet, obwohl alle Bewohner des Tannheimer Tales sechs Tage kostenlos am Bau mithelfen mussten. Diese Straße wurde alsbald zum wichtigsten Handelsweg zwischen Tirol und den vorderösterreichischen Landen.
Die Straße wurde 1756 erweitert und in die überhängenden Felsen gesprengt. Noch 1674 befand sich hier ein Sperrfort mit Zollstelle. Die ehemals ruinösen Straßenbauwerke und Sicherungen sind heute größtenteils saniert und wieder begehbar, die Gebäude dagegen sind nicht mehr vorhanden.
Die folgenden Bilder zeigen den Gachtpass, heute auch bekannt unter Gaichtpass:
Der Neubau der jetzigen Straße erfolgte in den Jahren 1909-1912. Die damals Aufsehen erregende Brücke über das Gemstal wurde 1912 eingeweiht. Die sich auf dem Rückzug befindliche Wehrmacht sprengte sie 1945.
Seit 1979 spannt sich die neue Brücke in kühnem Bogen über das Gemstal und die alte Rodstraße.
Steil führte die Rodstraße zum Weiler Gacht empor. Hier soll nach einer Hinweistafel angeblich das älteste Haus des Tannheimer Tales stehen, mit einem Salzstadel aus dem 12. Jahrhundert. Wenn man aber in Betracht zieht, dass das hallische Salz erst seit ca. Mitte des 13. Jahrhunderts bergmännisch abgebaut worden ist, dürfte der Wahrheitsgehalt dieser Information sehr fraglich sein.
Von dort führte der Weg nun nach Nesselwängle, das wiederum eine kaiserlich bestätigte Niederlage vorweisen kann. Auch hier stand ein gewaltiger Gred- bzw. Salzstadel mit drei Stockwerken und ebenso vielen Einfahrten. Er ist 1863 abgebrannt. In Nesselwängle sollen allein für Vorspannzwecke 80 Pferde gehalten worden sein. Direkt am Haldensee liegt der kleine Weiler Haller. Er soll von Hans Haller, einem Kaufmann aus Hall in Tirol gegründet worden sein. Dieser habe ihm auch seinen Namen gegeben.
Hans Haller
Vermutlich führte die Straße dann in den Ort mit dem Namen Tannheim, obwohl dieser Name für den Ort noch gar nicht so alt ist. Um das Jahr 1900 hieß man es hier „in den Höfen“. Die prächtige Kirche zeigt jedoch eine gesunden Wohlstand der bäuerlichen Bewohner um 1750. 1544 soll in Tannheim eine Zollstelle existiert haben, die dann 1780 nach Schattwald an den Vilsrain verlegt worden ist.
Kirche in Tannheim
Über den Weiler Staig erreichte die Trassierung der Rodstraße die Grenze am Joch. Der Grenzbach und ein schöner alter Grenzstein markieren noch heute die frühere Teilung zwischen der Grafschaft Tirol und dem Hochstift Augsburg.
Grenzstein mit Hochstiftischem Wappen
Neue Strasse Oberjoch-Schattwald kreuzt alte Salzstrasse
Der heute Oberjoch genannte Ort hatte früher den Namen „Hindelang unterm Joch“ für den, der aus dem Tannheimer Tal kam. Jene, die aus der Gegenrichtung kamen, nannten ihn „Hindelang vorm Joch“ bzw. „Vorderjoch“.
Die Kapelle St. Jakob erinnert an die vielen Jakobspilger, die der alten Rodstraße folgend nach Santiago pilgerten. Das kleine Gotteshaus wurde 1731 an seinem heutigen Standort neu errichtet und stand früher an anderer Stelle. Sein hübsches Altärchen stammt aus dem Jahre 1684. Am Ortsausgang von Oberjoch errichtete 1809 der Hindelanger Salzfaktor Johann Baptist Gerung auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko einen Salzstadel.
Nach Auflösung der Hall-inntalischen Salzspedition durch den Bayerischen Staat 1823 wurde der dreigeschossige Salzstadel in ein eingeschossiges Wohnhaus umgebaut. Es existiert noch heute.
Zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse hatte König Ferdinand von Österreich durch den Pfleger von Ernberg, Jakob von Thun, in den Jahren 1540-1543 die Straße von der Feste Fernstein bis an das Joch verbessern lassen. Zur Erinnerung ließ er vom Innsbrucker Eisengießer Grassmair die Tafel fertigen und am Kaplanhaus am Fernpass anbringen. Vom Joch bis an die Grenze zu Österreich verbesserten dann im Laufe der Jahre die Grafen von Montfort diesen Straßenzug.
Wer heute die alte Rod- oder Salzstraße beschreitet, findet an einem Felsen eine weitere Bronzetafel, die auf die ehemalige „Wacht“ hindeutet. Ein solches Gebäude wurde 1751 als Nachfolgebau eines ehemaligen Vorgängerbaues neu errichtet und diente zur Einhebung des Zolls. Im Obergeschoss war eine Wohnung für einen Taglöhner eingebaut. Von hier führte die Straße durch die Flur der „Hirschäcker“ in den Ort Hindelang.
Die traditionsreiche Frächterwirtschaft „Zum letzten Heller“ trägt heute den sehr sinnreichen Namen „Schnitzelalm“. Die Historie des einst so bedeutenden Niederlagsortes Hindelang ist durch diese blödsinnige Namengebung um eine liebenswerte Erinnerung ärmer geworden.
Schild am ehemaligen "Letzten Heller"
Eine nette Erinnerung an das einstige Salzrodwesen ist dieser Frächterbrunnen in Hindelang. Ob es aber tatsächlich so ist, dass die Hindelanger Fuhrleute Waren und Salz über das Joch holten, möchte ich sehr bezweifeln. <in der Regel war es nämlich so, dass die Roder ihre Ware vom Punkt A zum Punkt B gerodet haben. Meine bisherigen Nachforschungen haben nämlich ergeben, dass die Ostrachtaler das Salz nach Immenstadt transportierten und nie in die andere Richtung nach Nesselwängle gefahren sind.
Auch in Hindelang befand sich eine kaiserlich bestätigte Niederlage mit Gred- bzw. Salzstadel. Zoll- und Niederlagsrecht wurden von den Bischöfen von Augsburg wahrgenommen. Noch heute ist das ehemalige Straßendorf im Kern der Altgemeinde erkennbar. Der Hindelanger Salzstadel wurde 1828 in ein Wohnhaus umgebaut und 1930 abgebrochen. Das 1671 errichtete Wohnhaus der einst bedeutenden Salzfaktorenfamilie Scholl besteht noch heute und ist ein historisches Schmuckstück der Marktgemeinde Hindelang.
Mit dem Rod- bzw. Salztransportmonpol waren in der Regel immer Persönlichkeiten oder Landesherren begabt, die dem Haus Habsburg verpflichtet waren. Diese konnten dann Kraft ihres Amtes bestimmte Personen zu Salzfaktoren ernennen. In Hindelang waren dies die Familie Scholl, die Waibel, die Feuerstein und die Göhl. Der bekannteste unter ihnen ist wohl Thomas Scholl.
Die Rodstraße führt von Hindelang weiter nach Vorderhindelang, zu der so reizvollen Kapelle St. Thomas. Salzfaktor Thomas Scholl hat ihr sein besonderes Augenmerk geschenkt. Ein Votivbild in dieser Kapelle zeigt ihn mit seiner Ehefrau Magadalena Keller, die der Faktorenfamilie Keller in Reutte enstammte.
Weiter zieht der heute geteerte Weg über Reckenberg nach Staig bei Sonthofen.
Von dort führte er unter der Burg Fluhenstein vorbei in Richtung Burgberg-Agathazell-Goimoos. Wer vom Goimoos aus aber nach Kempten wollte, der hielt sich in Richtung Rettenberg um zur Zollstelle bei Oy zu gelangen. Jene aber, die auf kürzestem Weg in Richtung Lindau wollten, gingen links ab, um über Greggenhofen zur Zollbrücke bei Stein zu gelangen.
Und nun kommt der „dicke Hund“! Um 1480 ließ Graf Hugo von Montfort den nur für Fußgänger begehbaren Steg über die Iller bei Rieden abreissen und errichtete dort eine Brücke. Über die Felder der Riedener Bauern baute er eine Straße. Damit zog er den gesamten Verkehr auf das Gebiet seiner Grafschaft Rothenfels und nahm an der Riedener Brücke den Zoll. Die zur ehemaligen Zollstätte gehörende Gaststätte, existiert unter dem Namen „Lachersche Wirtschaft“ noch heute. Der Gaststättenbetrieb musste nach dem Bau der Marienbrücke aber eingestellt werden.
Sonthofen, im Vordergrund die Obere Zollbrücke
Vom Goimoos aus lief die mittelalterliche Straße aber noch lange über Greggenhofen durch den Buchwald unterhalb der Burg Rauhlaubenberg zur „Unteren Zollbrücke“ bei Stein. Noch heute lagern hier Ruinenreste der ehemaligen Sperre und zeigen den Verlauf der Straße.
Unterhalb der Burg Rauhlaubenberg führte der jetzt nur noch als Graben erkennbare „Säumersteig“ zum Iller-Hochufer. Von dem im Bild gezeigten Straßeneinschnitt ist heute nur noch ein ganz kleines Relikt vorhanden. Bei Straßenbauarbeiten wurde der größte Altstraßenteil leider zerstört.
Zur Querung der Iller benützte die mittelalterliche Trassierung die Zollbrücke bei Stein, später „Untere Zollbrücke“ genannt. In der Gaststätte am anderen Ende der Brücke wohnte ein Zöllner, der für die Ritter von Laubenberg den Zoll einzog. Die Brücke wurde Ende 1969 abgebrochen, heute sind bei Niedrigwasser nur noch die Balkenreste der ehemaligen Joche zu sehen.
Burg Laubenbergerstein und die Untere Zollbrücke bei Immenstadt
Joche der Unteren Zollbrücke, dahinter das Tierheim Immenstadt
Kurz vor Immenstadt mussten die Säumer und Fuhrleute durch die „Wacht“, ein Sicherungsbauwerk vor der Stadt.
Wacht, heute das Immenstädter Eistobel
Über die Stadtmitte – den Marktplatz – erreichten sie schließlich das Sonthofer Tor und dann den herrschaftlichen Gred- oder Salzstadel, der 1894 abgebrochen worden ist. Im Betriebshof der Firma Eberl sind an einer stehengebliebenen Wand noch die Widerlager der großen Lagerböden zu sehen.
Immenstadt
Salzstadel Immenstadt
Dieses Bild zeigt beispielhaft, wie es in einem solchen Salzstadel ausgesehen hat. Auch der Immenstädter Salzstadel verfügte über eine Aufzugsmaschine für die oberen Stockwerke.
Am Nachfolgebau des Immenstädter Salzstadels befand sich seit 1963 über dem Eingang dieses Sgraffito. Es ist leider vor einigen Jahren einer Gebäudesanierung zum Opfer gefallen.
Die mittelalterliche Straße ist heute im Umfeld der Stadt nicht mehr zu rekonstruieren, lediglich der ehemalige Standort des Staufner Tores deutet darauf hin, wo sie aus dem Stadtbering ausgetreten ist. Unter der heutigen B 308 am Südufer des Alpsees entlang, führte sie über Konstanzer und Knechtenhofen dann vorbei an Oberstaufen nach Buflings und von dort nach Genhofen.
s´ Huimatle in Knechtenhofen
In Genhofen fanden die Fuhrleute vor dem Aufstieg über den gefürchteten „Hahnschenkel“ noch einmal die Möglichkeit, in einer Schmiede die Hufe ihrer Pferde überprüfen zu lassen. In dem reizvollen Kirchlein wird wohl manches Vaterunser für eine glückliche Fahrt gebetet worden sein. Der Heilige Eligius als Patron der Schmiede und der Heilige Stefan als Patron der Fuhrleute deuten darauf hin.
Kapelle mit Hufeisen an der Türe, Genhofen
Es wird immer wieder darauf hingewiesen, wie furchtbar der „Hahnschenkel“ für die Pferde und Fuhrleute gewesen sei. Einen richtigen Beweis dafür hat noch niemand erbracht. Nach dem flachen Stück von Immenstadt bis hierher war die aber wohl der erste längere Anstieg. Darüber haben die Rothenfelser Rodfuhrleute wahrscheinlich gerne gejammert. Es kann aber durchaus behauptet werden, dass die ganze Strecke von Reutte bis an den Bodensee ein „Pferdeschinder“ ersten Ranges gewesen ist und den Fuhrleuten wie den Tieren viel abverlangt hat. Kurz danach verließ der Transporteur mit seiner Ware das Gebiet der Grafschaft Rothenfels.
Nach der Überwindung des Hahnschenkels war man in Simmerberg wieder auf österreichischem Gebiet. Das dortige Salzfaktorhaus steht noch heute und ist mit seinem reizvollen Fachwerk eine interessante Erinnerung an frühe Zeiten.
Vom Niederlagsort Simmerberg aus zog das Trassee der historischen Rodstraße über Weiler-Bremenried zur heutigen Staatsgrenze bei Scheidegg.
In Weiler und Scheidegg zeugen noch eine Reihe von Gebäuden vom ehemaligen Wohlstand, den die Roderei bestimmten Personengruppen beschieden hat.
Hinter dem ehemaligen deutsch-österreichischen Grenzübergang bei Scheidegg verlief die Straße dann über Weienried-Rucksteig-Leutenhofen-Hörbranz an das „Bäumle“ am Bodenseeufer.
Ehemalige Grenze nach Österreich bei Bremenried
Steile Talfahrt in Richtung Bodensee
Der Schriftzug „Salva Quardia“ am ehemaligen Umspann- und Postgebäude heißt soviel wie „Sicheres Geleit“. Das österreichische Staatswappen zeigt an, welche Staatsmacht dafür gerade zu stehen hatte. Wer dagegen verstieß, verfiel der Justiz.
Vom „Bäumle“ wurden die auf der „Oberen Rodstraß“ transportierten Waren und Salzfässer dann nach Lindau bzw. nach Bregenz spediert.
Unsere Reise auf den Spuren der Rodfuhrleute vom Fernsteinsee bis an den Bodensee ist damit zu Ende. Ich hoffe, dass es ihnen gefallen hat, mich zu begleiten und danke Ihnen für's Zuhören. Siegbert Eckel, 8.1.2014
Für´s Internet adaptiert von Stefan Kracker, 20.1.2014
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